Für alle mit "verblassenden
Bildschirmen" -
reisen Sie nach Korea!
Anfang.
Was assozierte ich früher mit Korea?
Taekwondo vielleicht - mein Einstieg in die Welt der Kampfkünste. Oder
Viktor Coy, russischer Rockstar - halb Koreaner, halb Ukrainer. Der
bewusstseinerweiternde Film "I'm Cyborg, but it's OK"... Ansonsten?
Was waren Ihre Begegnungen mit koreanischer Kultur?
Die Idee, nach Südkorea zu reisen, kam mir in Januar 2008. Um dem
Winterblues zu entkommen, ging ich in einen Buchladen in Bonn und
stöberte in ausgestellten Reiseführern. Natürlich China, Indien, Nepal
- all die coolen Reiseziele. Die "Lonely Planet"-Ausgabe zu Bhutan
wollte ich haben, aus reiner Neugier. Und entdeckte auf dem Weg zur
Kasse das Bildband
"Bild Atlas Special Südkorea", ISBN 978-3-616064-49-9
Taekwondo, Viktor Coy, plus undefinierbares positives Gefühl - ich nam
das Band mit. Fing abends an, zu lesen, und versank für die ganze
Nacht darin.
Am morgen stand der Entschluss fest - ich will nach Korea! Für
mindestens 3 Wochen - da gibt's so viel zu sehen! Südkorea vor allem.
Vielleicht nur ein paar Tage Nordkorea - diktatorische Regime gehen mir
an sämtlichen Körperteilen vorbei. Auch zuhause ging's demokratisch zu
- der Mann an meiner Seite ließ sich von der Idee überzeugen.
Die beste Zeit, nach Südkorea zu reisen, ist zwischen Mitte September
und Anfang November. Das stimmte mit persönlichen Plänen überein, also
wurden von 24. September bis 14. Oktober 2008 drei Wochen Urlaub
beantragt.
Ausserdem brauchte ich einen besseren Reiseführer. Das gekaufte
Bildband ist schon ziemlich alt - erschien 2002. Die Ausgabe von
"Lonely Planet" für Südkorea wird in den meisten Rezensionen verflucht.
Zum Glück fand ich das Buch
"Travel Guide Korea", ISBN 1-56591-240-3,
[TGK],
herausgegeben von der offiziellen Korea Tourism Organisation und
relativ frisch - 2006. Der Anfang war geschafft.
In Februar 2008 brannte Namdaemun ab, nationales Symbol und die
Hauptsehenswürdigkeit Südkoreas.
Objektives. Und Subjektives.
Aber zuerst vielleicht ein paar
Fakten über "das Land der Morgenfrische".
Wechselkurs, Stand September 2008:
1,00 Euro (EUR) = 1.628,00 südkoreanische Won (KRW)
1.000 KRW = ca. 0,70 EUR.
Bruttoinlandsprodukt: Stand 2007, International Monetary Fund
Südkorea:
BIP: 969.871 Mio. US$
BIP pro Kopf: 20.015 US$
Deutschland:
BIP: 3.320.913 Mio. US$
BIP pro Kopf: 40.400 US$
USA:
BIP: 13.807.515 Mio US$
BIP pro Kopf: 45.725 US$
Korea liegt auf der gleichnamigen Halbinsel zwischen 33 und 43
Breitengraden. Das Land zwischen 33 und 38 Breitengraden gehört zu der
Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea, Choson), der Rest - zu
der Republik Korea (Südkorea, Daehan Minguk). Die beiden werden durch
eine 4 km breite Demilitarisierte Zone, DMZ, voneinander getrennt. In
diesem Report geht es aus oben genannten Gründen fast ausschließlich
um Südkorea.
Das Territorium Südkoreas ist 99.392 Quadratkilometer gross, etwas
weniger als Bayern und Baden-Württemberg zusammen. 70% davon sind Berge!
Im Westen wird die koreanische Halbinsel von Gelbem Meer (Yellow Sea)
umspült. Im Osten - von Ostsee (East Sea), und gar nicht von
Japanischem Meer (Sea of Japan), meinen die Koreaner.
Die Hauptstadt ist bekanntermassen Seoul, ausgesprochen ['Soul], mit
Betonung auf der ersten Silbe. Seoul an sich hat knapp 11 Mio.
Einwohner. Die Metropolregion Seoul - über 23 Mio. und ist somit die
zweitgrößte Metropole der Welt.
Diese Zahlen ließen mich anfangs zweifeln, ob ich wirklich dahin will.
S(e)oul entpuppte sich als eine wunderschöne Stadt, die eine Seele
sofort in Anspruch nimmt und ein Stückchen davon für immer behält.
Jetzt habe ich drei Lieblingsstädte - Berlin, New York und Seoul.
Distributed Soul Storage, [censored]...
Aber zurück zu unseren Fakten. 48,5 Mio. Menschen leben in Südkorea.
95% davon sind Koreaner, somit hat dieses Land eine der homogensten
Bevölkerungen der Welt.
Die Legende dazu sagt, früher, als Hwanung, der Himmelssohn, die
Menschen regierte, wollten auch ein Tiger und eine Bärin Menschen
werden. So ließ Hwanung sie 100 Tage in einer Höhle fasten, nur mit
Knoblauch und Beifuß als Nahrung. Der Tiger schmiss nach einer Weile
hin und rannte weg. Die Bärin aber hielt durch und wurde zu einer
wunderschönen Frau namens Ungnyeo. Sie bittete Hwanung, mit ihr ein
Kind zu zeugen. Sie gebaren einen Sohn und gaben ihm den Namen Dangun
Wanggeom. Als er erwachsen wurde, gründete er auf der koreanischen
Halbinsel das Königreich Gojoseon. Man hatte das Jahr 2333 BC, somit
ist die koreanische Kultur eine der ältesten der Welt. (Und Knoblauch
ist weiterhin ein wesentlicher Bestandteil koreanischer Speisen, möchte
ich hinzufügen.)
Eine der wichtigsten Errungenschaften dieser Kultur ist das koreanische
Alphabet Hangeul. Ja, Alphabet! Das hat 10 Vokalen und 14 Konsonanten,
die zu quadratischen Silben gruppiert werden.
Quelle: [TGK]
Hangeul wurde im Jahr
1443 erfunden und gilt als systematischstes Alphabet der Welt, von
UNESCO als Weltkulturerbe geschützt. Und tatsächlich, die Erfinder
hatten zum Ziel, ein schlauer Man soll Hangeul in einem halben Tag
lernen können. Auch ein alternativ Begabter könnte es in 10 Tagen
schaffen. Aus Erfahrung - es könnte auch eine sinnvolle
Beschäftigung beim Hinflug darstellen.
Weitere kulturelle Errungenschaft Koreas ist garantierte absolute
Religionsfreiheit. Neben den Anhängern der traditionellen koreanischen
Religionen: Schamanismus, Buddismus und Konfuzianismus, existiert eine
große christliche Gemeinde.
Ungewöhnlicher Anblick, ich gebe es zu. Das Hakenkreuz (Sanskrit
Swastika - "Glücksbringer") ist u. a. ein buddistisches Symbol. Das
Zeichen wird auch auf weiteren Fotos auftauchen.
Weiter? OK.
Insgesamt ist Südkoreas Entwicklungsstand vergleichbar mit dem von
Deutschland. Für die Touristen bedeutet das ausgezeichnet ausgebautes
Transportnetz, hohe Hygienestandards und gute medizinische Versorgung
im Notfall.
Als ich einen Apotheker darum bat, mir beim Füllen meines
Medikamentenbeutels zu helfen, reagierte er ganz entspannt: "Also
Südkorea. Hochentwickeltes Land. Sie bräuchten Pflaster für die Füße."
(Ja!) "Eventuell Koffeintabletten, falls man mehr unternehmen möchte,
als man Kraft dazu hat?" (Kein Koffein im Urlaub. Wenn ich keine Kraft
habe, unternehme ich nix, basta.) "Das Essen könnte da ziemlich scharf
sein" (Aua!) "Also Iberogast für den Magen, Imodium, ein
Schmerzmittel... Waschgel für die Hände... Sonnenschutz natürlich...
Das war's schon. Falls Sie
noch was bräuchten, können Sie das ja in Korea kaufen, ist ein
hochentwickeltes Land." (Stellen Sie sich vor, Sie brauchen noch eine
Packung Imodium und versuchen es einem Apotheker mit Gesten
klarzumachen...)
Kein Visum für deutsche Touristen, keine Impfungen sind extra für
Südkorea nötig. Auch keinerlei Sicherheitswarnungen hatte Auswärtiges
Amt für dieses Land übrig, Stand Herbst 2008.
Also überhaupt keine Probleme mit einer Reise nach Korea? Doch!
Erstens, man benötigt einen INTERNATIONALEN Führerschein, den man extra
beantragen muss. Das grünlich-rosa Kärtchen ist ein EU-Führerschein und
gilt in Südkorea NICHT.
Ausserdem gibt's keinerlei Kartenmaterial für Korea. Probieren Sie es
mal aus - Google Maps funktionieren weder für Nordkorea (klar!) noch
für Südkorea. Es gibt keine Navigationssoftware für Garmin-Gerät. Es
gibt keine Karten auf Papier zu kaufen, und ADAC weiß zu Korea nichts.
Somit sind wir mit einem kleinen Teil der Fakten, Legenden und meinen
subjektiven Meinungen zu Ende. Jetzt kommt der Reisebericht.
Planung.
Hier muss man sagen, dass diese Reise von unserem normalen Urlaubsmodus
abweichte. Üblicherweise mieten wir uns einen Wagen für die Dauer der
Reise, planen die Route durch und buchen alle Unterkünfte im Voraus.
Diese Tour wollten wir anders gestalten.
Reserviert haben wir drei erste Übernachtungen in Seoul, eine Tagestour
zu der Demilitarisierten Zone, drei Übernachtungen in Seoraksan
Nationalpark, ein Auto für acht Tage, zwei Übernachtungen in Busan, und
drei letzte Übernachtungen in Seoul. Keine Hotelzimmer wurden für die
Zeit des Autotrips gebucht, um flexibel zu bleiben. Dafür legten wir
unsere Schlafsäcke mit ins Gepäck, um ein paar Nächte in einem Camping
verbringen zu können.
Ausserdem, ganz wichtig, haben wir die Reise zum Anlass genommen, um
uns mit neuen Elektronikspielzeugen zuzudecken. Als Erstes wurde ein
weiterer Rechner gekauft - ein kleiner, leichter Acer Aspire One 150x.
Dieser sollte als Backup für Fotos dienen und für Internetzugang
unterwegs. Und wir haben unseren Compact Flash-Vorrat auf 36 GB
aufgestockt.
Fertig war die Planung!
0. und 1. Tage
Wie immer, wurde das Packen um halb drei Uhr nachts abgeschlossen, und
morgens ging's schon zum Flughafen Tegel.
Wir flogen mit Finnair über Helsinki nach Seoul. Das erwies sich als
die güngstigste und dabei durchaus angenehme Alternative. Der
Flughafen von Helsinki ist einer der bequemsten, die ich bis dahin
gesehen habe, das Essen im Flughafen und am Bord ist lecker, die
Auswahl der Filme ausreichend und die Flugbegleiterinnen gut aussehend
und zuvorkommend. Dachte ich beim Hinflug.
Der Flug ging am 24. September Mittag los und endete am 25. September
um
8:30 morgens in Incheon, Seouler internationalem Flughafen.
Beim Verlassen der Transitzone kontrolliert die koreanische
Gesundheitsbehörde mit Kameras, ob man irgendwelche Krankheiten
einschleppt.
Den Stempel des Grenzschutzoffiziers ziert der Aufkleber „Hello Kitty“.
Willkommen in Korea!
Einige der ersten Eindrücke – seit langem waren wir nicht mehr in einem
Land, wo wir die Einheimischen überhaupt nicht verstehen konnten.
Später, auf den Strassen Seouls – hier kann man als europäischer
Nordlicht gar nicht in der Menschenmenge untergehen, ob man es will
oder nicht.
Und trotzdem. In der Ankunftshalle zerrte ein Koreaner seinen
Gepäckwagen hinter sich her, strikt geradeaus und mit geschlossenen
Augen. Das hat ganz gut funktioniert, bis sich ein Hindernis ihm in den
Weg stellte - mein Mann. Der auch nicht ganz fit war und deswegen mit
unserem grossen Koffer stabilisiert wurde. Bumm! Beide blickten milde
überrascht in die Welt. Machten danach je einen Schritt zur Seite und
schlossen wieder die Augen. Unsere erste Kollision der Kulturen haben
wir somit erfolgreich absolviert.
Für den Transfer vom Flughafen Incheon zum zentralen Bahnhof "Seoul
Station" haben wir diesmal den Expressbus gewählt - 14.000 Won pro
Person, eine Stunde Fahrt. An der Bushaltestelle stand ein alter Mönch
in grauer Kluft und einem Strohhut. Endlich die langersehnte Exotik!
Das Seouler Subway ist bequem, sauber und schnell. Allerdings mussten
wir da ein paar Herausforderungen meistern:
- Kann man mit einer T-Money-Karte die Fahrten von zwei Personen
bezahlen? (Nein.)
- Wie schnell muss man beim Gehen durch das Turniket sein?
(Flink! Auch mit dem Koffer. Sonst wird die Karte gesperrt.)
- Jongno und Yongsan ist doch praktisch das Gleiche? (Nein, das
sind zwei verschiedene Stationen.)
- Wie komme ich aus dem Subway raus, wenn die Karte gesperrt ist?
(Irgendjemand öffnet von außen den Behindertenzugang und lächelt dabei
freundlich.)
Das Hotel Doulos, wo wir unsere ersten drei Nächte in Seoul
verbrachten, hat saubere und modern eingerichtete, aber auch ziemlich
kleine Zimmer, und sehr nettes Personal.
Abends gingen wir unsere Umgebung erkundigen. Auch kulinarisch – zuerst
haben wir Gun-Mandu erbeutet, kleine frittierte Maultaschen. 8 Stück –
2.000 Won (1,3 EUR), frisch zubereitet und lecker. Danach ging's in die
engen Strässchen des Künstler-Viertels Insadong.
Kleine Läden mit vielerlei Buntem machten Appetit auf Souvernir-Jagd.
Allerdings noch nicht diesmal – dafür ist ein Tag am Ende der Reise
eingeplant.
Na, können Sie den Namen des Ladens entziffern?
Die Antwort befindet sich auf der Tafel links neben der Tür.
Kunst und Touristen - das ist Insadong.
Was der Mann mit dem Stativ und der Mann an der Wand rechts auf ihren
Fotos erzielen möchten, bleibt wohl ein Rätsel.
Viele neuen Eindrücke machen hungrig - wir wollten zu Abend essen,
möglichst was Authentisches. Ein passendes Restaurant war schnell
gefunden. Die Gäste sitzen an niedrigen Tischchen auf dem Boden, Schuhe
werden am Eingang ausgezogen. Es existiert kein Menü auf Englisch,
dafür werden im Schaufenster die Bilder der Speisen mit deren Preisen
ausgestellt. Also, um das Essen zu bestellen, ging ich mit dem Wirt
zurück auf die Strasse und zeigte auf die gewünschten Gerichte. Für
meinen Mann - die Suppe mit Fisch, Rogen und Garnelen (7.000 Won). Für
mich - die Suppe mit mehreren Sorten Fisch (5.000 Won).
Dazu wurden verschiedene Vorspeisen serviert - scharf eingelegtes
Gemüse "Kimchi", ohne dessen keine koreanische Mahl vollständig ist.
Ausserdem kleine getrocknete Fischchen, Kartoffel nach koreanischer Art
usw. Plus eine Flasche Tafelwasser und jedem eine Schale Reis.
Mein Mann sagte später, seine Suppe war köstlich, die beste Mahl im
ganzen Urlaub.
Das merkwürdige doppelte Ding da ist übrigens Fischrogen.
Meine Suppe beinhaltete eine Überraschung.
Ich angelte aus der Schale eine unschuldig aussehende Zuckerschote und
steckte sie in den Mund.
Wie scharf ist doch koreanisches Essen! Noch etwas Reis. Mehr Reis!
Kaltes Wasser! Feuerlöscher!!! Bonuskarte im Drachenclub!!!!!
Natürlich war das keine Zuckerschote, sondern eine grüne Peperoni
erster Frische. Zum Glück ignorierten die anderen Restaurantgäste die
errötete Europäerin, die über
ihrer Suppenschüssel weinte.
Dafür erblühte für mich danach das Leben in frischesten Farben.
Spätestens jetzt wurde mir klar - ich bin in meinem lang ersehnten
Urlaub in Korea!
Gegen 22 Uhr beendeten wir unser Abendessen. Auf dem Weg zurück ins
Hotel wurde noch eine Packung Süssigkeiten gekauft - verschiedene
Sorten Reiskuchen mit Trockenfrüchten und Nüssen, 3.000 Won. Seoul
brummelte und feierte weiter.
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